Ich habe dir schon viele Briefgen geschrieben und weiß nicht, wenn sie nach und nach bei dir ankommen werden. Ich habe versäumt, die Blätter zu numeriren, und fange jetzt damit an. Du erfährst wieder, daß ich mich wohl befinde, du weißt, daß ich dich herzlich lieb habe. Wärst du nur jetzt bei mir! Es sind überall grose breite Betten, und du solltest dich nicht beklagen, wie es manchmal zu Hause geschieht. Ach! mein Liebchen! Es ist nichts besser, als beisammen zu sein. Wir wollen es uns immer sagen, wenn wir uns wieder haben. Dencke nur! Wir sind so nah an Champagne und finden kein Glas Wein. Auf dem Frauenplan soll’s besser werden, wenn nur erst mein Liebchen Küche und Keller besorgt.

Sey ja ein guter Hausschatz und bereite mir die hübsche Wohnung. Sorge für das Bübchen und behalte mich lieb. Behalte mich ja lieb! Denn ich bin manchmal in Gedanken eifersüchtig und stelle mir vor: daß dir ein andrer besser gefallen könnte weil ich viele Männer hübscher und angenehmer finde als mich selbst. Das mußt du aber nicht sehen, sondern du mußt mich für den besten halten, weil ich dich ganz entsetzlich lieb habe und mir ausser dir nichts gefällt. Ich träume oft von dir, allerlei konfuses Zeug, doch immer, daß wir uns lieb haben. Und dabey mag es bleiben.

Bei meiner Mutter habe ich zwei Unterbetten und Kissen von Federn bestellt und noch allerley gute Sachen. Mache nur, daß unser Häusgen recht ordentlich wird, für das andre soll schon gesorgt werden. In Paris wird’s allerley geben, in Frankfurt gibt’s noch ein zweites Judenkrämchen. Heute ist ein Körbchen mit Likör abgegangen und ein Päcktchen mit Zuckerwerk. Es soll immer was in die Haushaltung kommen.

Behalte mich nur lieb und sei ein treues Kind, das andre gibt sich. Solang‘ ich dein Herz nicht hatte, was half mir das übrige!
Ietzt, da ich’s habe, mögt ich’s gern behalten. Dafür bin ich auch dein. Küsse das Kind, grüse Meyern und liebe mich.

Goethe an Christiane Vulpius | 10. Sept. 1792