Die Nachricht

Die Nachricht vom Tode meiner Frau ist vielleicht schon bis zu Euch gedrungen. Ich strenge mich an, so sehr ich kann, daß mich das Leid nicht ganz erdrückt. Auch die Freunde sind da und tun alles Mögliche, den bitteren Gram meines Herzens etwas zu lindern. Als dein Bruder von hier abreiste, hatten wir fast keine Hoffnung mehr für ihr Leben. Als Dienstag alle Brüder da waren, hielten sie es für das Beste, gemeinsam miteinander zu beten. Es geschah. Als Abel sie in aller Namen ermahnte zum Glauben und zur Geduld, bezeugte sie in ein paar Worten (sie war schon recht schwach), wie ihr zu Mut sei. Auch ich schloß daran eine Aufmunterung, wie sie mir zu ihrer Lage zu passen schien. Da sie von ihren Kindern kein Wort geredet, fürchtete ich, sie möchte sich im Herzen um sie sorgen, sich aber scheuen, es zu sagen, und diese Sorge quäle sie vielleicht mehr als die Krankheit. So sagte ich ihr vor den Brüdern, ihre Kinder sollten mir am Herzen liegen, als ob es die meinen wären. Sie antwortete; „Ich habe sie schon dem Herrn anempfohlen“ Als ich nun sagte: “Das hindert mich, daß auch ich mein Teil an ihnen tun will“, erwiderte sie: „Wenn sie dem Herrn am Herzen liegen, so sind sie auch dir wohl empfohlen, das weiß ich.“ So groß war ihre Geistesstärke, da sie bereits über der Welt zu stehen schien.

An dem Tag, da sie ihre Seele dem Herrn übergab, sprach unser Bruder Bourgoing ihr gegen sechs mit frommern Worten zu; dabei tat sie einen Ausspruch, an dem alle merken konnten, daß ihr Herz sich bereits hoch über alle Welt aufgeschwungen hatte. Das waren ihre Worte: „O glorreich Auferstehen! O Gott Abrahams und unserer Väter, schon seit Jahrhunderten haben alle Gläubigen auf dich gehofft und keiner ist enttäuscht worden. So harre denn auch ich deiner!“ Solche abgebrochenen Sätze stieß sie mehr hervor, als daß sie sie noch sprechen konnte. Und das nicht etwa nach den Worten der anderen, sondern wie die Gedanken ihr Herz bewegten, so bezeugte sie es in kurzen Worten, was sie bei sich dachte. Um sechs wurde ich vom Haus fortgeholt. Um sieben, als man sie ins andere Zimmer trug, begann gleich der Todeskampf. Als sie spürte, daß ihr gleich die Stimme versagen werde, flüstere sie: „Beten, beten, betet alle für mich!“ Eben kam ich nach Hause. Sie konnte kein Wort mehr sprechen, doch zeigte ihre Miene die Bewegung ihres Herzens. Ich sprach zu ihr ein paar Worte von Christi Gnade, der Hoffnung des ewigen Lebens und der Heimkehr; dann nahm ich meine Zuflucht zum Gebet. Klaren Geistes hörte sie meine Gebete und war aufmerksam auf meinen Zuspruch. Kurz vor acht Uhr gab sie still den Geist auf, so dass die Anwesenden den Übergang vom Leben zum Tod kaum merkten.

Nun suche ich mein Leid zu überwinden, dass ich keine Unterbrechung meiner Amtstätigkeit erleide. Denn auch mit andern Kämpfen prüft mich der Herr neben dem allem. Lebwohl, bester Freund und Bruder; der Herr Jesus stärke dich mit seinem Geist und auch mich in dieser Heimsuchung, die mich sicher ganz gebrochen hätte, hätte mir nicht vom Himmel her der die Hand gereicht, dessen Art es ist, die Gebeugten aufzurichten, die Schwachen zu stärken und den Müden wieder Kraft zu geben. Grüße alle Brüder und dein ganzes Haus

Dein Johannes Calvin

 

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