Sehr geschätzte Polzelli,

Du tust mir in Deiner schwierigen Lage leid, und ich erwarte jeden Augenblick, dass Dein armer Gatte sterben wird. Du hast gut daran getan, ihn ins Spital bringen zu lassen, um Dein Leben zu erhalten. Ich hoffe, dass es meinem lieben Pietro besser geht, und lasse ihm sagen, er möge besser auf seine Gesundheit bedacht sein und seiner Mutter gehorchen. Liebe Polzelli, Du wirst vom Kammerdiener des Fürsten, Mons. Pierre, hundert Gulden bekommen. Sobald ich mein Benefizkonzert gegeben habe, werde ich Dir mehr schicken. Ich habe Mon. Pierre geschrieben, dass Deine Schwester dieses Geld schicket, indem ich nicht will, dass er weiß, es kommt von mir. Deine Schwester sagte mir, dass sie Dir noch etwas schicken wird. Es ist schon eine Weile her, so ich sie sah, da ich soviel mit den Konzerten und der Opera zu tun habe und alle Augenblicke mit den Akademien gequält werde. Bis jetzt wurde unser Theater noch nicht eröffnet, und so der König nicht die Einwilligung gibt, wird es Sign. Gallini auf dem Wege seiner Subskription eröffnen. Wenn nicht, verliert er zwanzigtausend Pfund Sterling. Ich werde nichts verlieren, da der Bankier Fries in Wien mein Geld schon bekommen hat. Meine Opera, betitelt „Lànima del filosofo“ wird am letzten Mai in Szene gehen. Ich habe schon den zweiten Akt beendet, aber es sind deren fünf, die letzten sind sehr kurz. Um dem Publikum sein Theater, die Opera und das Ballett zeigen zu können, hat Sign. Gallini die List gebraucht und dieser Tage am Abend eine Generalprobe veranstaltet, und zwar in einer Aufmachung, als wäre es schon die erste Aufführung. Er hat viertausend Eintrittskarten ausgegeben und es waren über fünftausend Personen anwesend. Die Opera, betitelt „Pyrrho“ von Pssiello, hat sehr gefallen, bloß unsere Primadonna ist eine Gans, und ich werde sie nicht für meine Opera nehmen. Das Ballett war fürtrefflich. Jetzt erwarten wir vom König ein Ja oder Nein, und so unser Theater eröffnet werden darf, wird das andere Theater, das heißt, das unserer Konkurrenten, geschlossen bleiben müssen, indem der Kastrat und die Primadonna zu alt sind und ihre Opera durchaus nicht gefallen hat. Im ersten Konzert des Sign. Salomon habe ich Aufsehen mit einer neuen Sinfonie gemacht, man musste das Adagio wiederholen lassen. Solches war in London noch nicht da. Stell Dir vor, was es bedeutet, dies aus dem Munde eines Engländers zu hören. Schreibe mir bald, liebe Polzelli, und gedenke mein: Ich bin und werde immerdar sein

Dein aufrichtiger Freund Joseph Haydn

 

Liebesbrief von Joseph Haydn an Luigia Polzelli