Liebster Schatz

Liebster Schatz! Nun, wie geht Dirs denn, Frau Strohwitwe? Was macht der kleine Junge? Ich wolte sagen, der große, denn daß sich der halbjährige Bengel wohl befindet, daran zweifle ich keinen Augenblick. Er sah gestern vortrefflich aus, die Amme hat mir seine beyden Gesichter gewiesen. Das No. I war schön, rund und freundlich wie die Sonne, das andere, No. 2, blank und still wie der volle Mond, oder eigentlich wie das erste und lezte Vierthel gegen einander gestellt.

Wie mirs geht? I, so ziemlich, wenn ich mir nur vorstellen könnte, dass Frühling wäre, aber das ist mir schlechterdings unmöglich. Schicke mir doch Peltz und die Peltzhandschuhe, ich will sehen, ob es dann besser geht. Aber höre mal, mit meinem Ober Bette ist etwas vorgegangen. Ich glaube, die Hartmannin hat die Federn herausgenommen und Duckstein hineingestopft. Denn Vögel mit solchen Federn gibt es in gantz Europa nicht. Wenn ich des Morgens erst ein Bein heraus habe, so geht es so ziemlich, ich halte mich am Ofen und ziehe dann das andere nach, aber das erste, das ist der Hencker. Nein! liebes Fleisch von meinem Fleisch, das Bett mag für ein Paar Eheleute genug sein, aber für einen eintzelnen Menschen wie ich ist es wahrlich zu schwer. Des Abends muß mich Georg zudecken, und dann drückt es mich so, daß meine Beine gemeiniglich eine halbe Stunde eher einschlafen als ich.

Weißt Du, daß es heute ein Jahr ist, daß wir im Holtze waren? Womöglich wollen wir hinauf, so bald wir es ohne Feuer im Stübchen thun können. Lebe recht wohl, liebes Bein von meinem Bein, und empfehle mich dem gantzen Dietrichschen Hauße, der Mamsell Braut und Mmsell Ranchat von Deinem G. C. Lichtenberg

 

Georg Christoph Lichtenberg an seine Frau Margarete | Göttingen, den 16. April 1792

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